Fast die Hälfte aller Wanderer klagt beim Bergsteigen über Knieschmerzen. Wir klären auf, woher die Schmerzen kommen und wie du sie bekämpfst.
Beinahe jeder Bergsteiger kennt ihn: den stechenden Schmerz hinter der Kniescheibe nach oder schon während einer längeren Wanderung. Besonders häufig treten solche Knieschmerzen beim Bergabgehen auf.
Eine Arbeitsgruppe am Fachbereich für Sport- und Bewegungswissenschaften der Universität Salzburg wollte in einer Studie zeigen, wann und warum das Kniegelenk beim Bergabgehen erhöhten Belastungen ausgesetzt ist. Dazu führten die Forscher im Vorfeld ein Interview unter 440 Bergsteigern durch, um zu klären, mit welchen Beschwerden Wanderer am öftesten zu kämpfen haben.
Knieschmerz – ein Bergsteiger-Problem?
Von den Befragten gaben 47 Prozent an, dass sie während oder nach der Bergtour Beschwerden am Bewegungsapparat haben. Muskelkater und akute Verletzungen blieben hier unberücksichtigt. Bei nahezu allen Personen treten die Schmerzen beim Abwärtsgehen auf und dann in 90 Prozent im Knie. Mit dem Alter nimmt die Häufigkeit der Beschwerden zu. Fast drei Viertel der Über-60-Jährigen klagen während oder nach Bergtouren über Beschwerden.
Die Ergebnisse der Befragung motivierten die Forscher näher zu ergründen, wodurch diese Beschwerden entstehen und welche Möglichkeiten es gibt, sie zu reduzieren oder sogar zu verhindern.
Klar ist, dass das Bergwandern und das Abwärtsgehen im Speziellen, zu einer erhöhten Beanspruchung der Strukturen in den Gelenken der unteren Extremitäten führen. Die Beschwerden, die beim Berggehen auftreten, können mit diesen erhöhten Beanspruchungen in Verbindung gebracht werden.
Knieschmerzen: Das passiert beim Bergabgehen?
Die Wissenschafter interessierte, ab welchem Gefälle die Belastungen auf die Strukturen stark zunehmen. Dazu konstruierten die Forscher eine in der Neigung verstellbare Rampe, über die die Gangdaten von 22 Studienteilnehmern aufgenommen wurden.
Beim Abwärtsgehen sind im Kniegelenk sehr große Veränderungen in Abhängigkeit der Neigung zu beobachten. Damit wir nicht umfallen, müssen wir mit zunehmendem Gefälle die Beine verstärkt beugen. Weil der Oberkörper aufrecht gehalten werden muss, passiert diese Beugung hauptsächlich durch eine starke Auslenkung des Knies vom Lot des Kraftvektors nach vorne.

Damit wir im Gleichgewicht bleiben, muss der Kraftvektor durch die Unterstützungsfläche (Auftrittspunkt des Fußes) und unseren Körperschwerpunkt gehen. Die Hüfte und das Sprunggelenk haben einen geringen Abstand zum Kraftvektor und können aus anatomischen Gründen nicht ausweichen. Ausweichen kann bloß das Kniegelenk. Der Abstand des Kniegelenks (Momentarm) zum Kraftvektor wird umso größer, je steiler das Gelände ist.
Das wiederum hat eine starke Zunahme des Momentarms zur Folge, was die Zunahme der Momente im Kniegelenkt proportional zur Stärke des Gefälles erklärt. Dadurch steigt schlussendlich auch die Belastung im Kniegelenk an.
Beim Bergabgehen über ein Gefälle von 24° kann das Siebenfache unseres Körpergewichts auf die Strukturen in unserem Knie wirken. Bei einer 70 Kilogramm schweren Person sind das fast 500 Kilogramm. Bei jedem Schritt. Oft über Stunden.
Das Gute: einen Großteil dieser Belastung können wir mit unserer Muskulatur abfangen. Das Schlechte: die Muskulatur ist beim Bergabgehen meist schon vom Bergaufgehen ermüdet und kann diese Funktion häufig nicht mehr ausreichend erfüllen. Besonders, weil die Muskulatur beim Bergabgehen ab einer Neigung von 24° über die gesamte Stützphase rein exzentrisch, also bremsend, arbeiten muss. Eine Form der Belastung, die unsere Muskulatur, hier speziell die Kniestrecker, besonders fordert. Der Großteil der Energie des Fußaufsatzes wird dabei im ersten Drittel der Stützphase absorbiert, in dem wir bei jedem Schritt die dynamischen Kräfte des Körpers abfangen.
Was diese Erkenntnisse konkret für das Knie bedeuten, sehen wir uns nun an.
Strukturkräfte im Kniegelenk beim Bergabgehen
Die Probleme beim Bergabgehen treten hauptsächlich im Bereich der Kniescheibe (Patella) sowie der Patellasehne auf. Die Studie liefert dafür drei Gründe:
- die Patellasehnenkraft nimmt mit der Stärke des Gefälles zu
- die Quadrizepszugkräfte steigen mit der Neigung
- die patellofemurale Kompressionskraft nimmt mit dem Gefälle extrem stark zu
Die patellofemurale Kompressionskraft ist die Kraft, mit der die Kniescheibe gegen den Oberschenkelknochen gepresst wird. Sie hängt natürlich damit zusammen, wie stark und wie lange die vordere Oberschenkelmuskulatur (Quadrizeps) an der Patellasehne zieht. Die patellofemurale Kompressionskraft nimmt zu, je mehr das Bein gebeugt wird.
Wanderer klagen nach langen Abstiegen häufig über Druckschmerz im Bereich der Kniescheibe und der Patellasehne. Eine hohe patellofemurale Kompressionskraft kann Ursache dieser Schmerzen sein. Treten häufig Knieschmerzen beim Bergabgehen auf, sollte man steile Abstiege unbedingt meiden und überlegen, wie man diese Belastungen reduzieren kann.

Die Strukturen im Kniegelenk werden beim Abwärtsgehen zwei- bis viermal so stark beansprucht wie beim Bergaufgehen. Das führen wir einerseits auf die höheren Kräfte, andererseits durch die wesentlich längere Zeitdauer, in der diese Kräfte während der Stützphase beim Abstieg wirken, zurück. Der Großteil der Energieabsorption muss vom Kniegelenk geleistet werden, da Sprung- und Hüftgelenk beim Abwärtsgehen hierfür nur begrenzt eingesetzt werden können.
Das Fazit der Studie: Ja, Bergabgehen rückt unseren Knien ordentlich zu Leibe. Je stärker das Gefälle, umso mehr muss unser Kniegelenk nach vorne ausweichen und umso höher sind die Belastungen auf Strukturen wie die Kniescheibe und die Patellasehne.
Deswegen den Bergen fernbleiben? Keinesfalls!
Wir zeigen dir hier 8 Möglichkeiten, wie du die Bergtour mit lachenden Kniescheiben beendest.
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Literaturnachweis
Schwameder, H. (2004). Biomechanische Belastungsanalysen beim Berggehen. In: Spektrum Bewegungswissenschaft Band 1.
Herzlichen Dank für die nähere Erklärung der Ursachen für Knieschmerzen infolge von Bergsteigen! Sicherlich kennen Personen, die regelmäßig Wanderurlaube in den Bergen unternehmen, derartige Schmerzen sehr gut. Sind die Beschwerden nicht nur vorübergehend, sondern anhaltend, so sollten sie jedoch keinesfalls ignoriert werden. Ein Facharzt wird nach einer Untersuchung feststellen können, ob eine konkrete Gelenkverletzung vorliegt, und gegebenenfalls eine Physiotherapie empfehlen.
Danke für deinen Kommentar Lucy, da stimmen wir dir voll zu. 🙂
Liebe Leute!
Die Grafik mit dem Kraftvektor ist physikalisch und daher auch bewegungsphysiologisch völliger Unsinn!
Der kraftvektor kann nicht bergab geneigt sein er kann nur bergauf geneigt sein. Das erklärt sich schon daraus dass man beim Abbremsen sowohl den Impuls der durch das Körpergewicht zur Lotrechten als auch einen Teil der Vorwärtsbeschleunigung die durchs gehen (vom einen Bein auf das andere) Abbremsen bzw. dämpfen muss.
Der Kraftarm ist insofern nur schematisch und deshalb zu Erklärung mangelhaft, weil er in der Anatomie eines menschlichen Knies nur wenige Zentimeter beträgt: der Abstand zwischen der Druckfläche im Gelenk zur Mittelachse der Patellasehne ergibt etwa den Lastarm.
Dieser ist mit den hohen Kräften von mehreren hundert Kilogramm Zug im Sehnen-Muskelapparat bzw. der Druckbelastung an den Gelenksflächen im Knie wirksam.
Leider wurden auch die Phänomene ableitens der Gelenkflächen und der damit verbundenen Strapaz am Meniskusgewebe nicht besprochen.
Insgesamt ein trauriger Kommentar.
liebe Grüße vom
Kugel Drechsler
Lieber Eric,
vielen Dank für deine Erläuterung. Die Darstellung ist natürlich nur schematisch zu verstehen.
LG
Soviel zur Ursache, danke . Aber was mach ich jetzt,?
Ich kann seit gestern kaum laufen. Nur noch mit ausgestreckten Knie im Liegen habe ich keine Schmerzen mehr.
Hallo Frank! Bitte lies dir dann einfach den darauf aufbauenden Artikel durch: https://berghasen.com/2018/06/18/bergabgehen-wandern-knieschmerzen-vorbeugen/
Der wäre auch im Artikel verlinkt gewesen. Wenn du so akute Schmerzen hast, würde ich aber einen Arzt aufsuchen. Dass du nicht mehr gehen kannst ist nämlich nicht normal. LG Susi
Hallo Zusammen,
vielen Dank für die Tipps.
Was haltet ihr von einer Kniestütze. Habe in einer Werbung gesehen, dass diese speziellen Kniestützen hinten in der Kniebeuge irgendwelche „Federelemente“ haben, die den Aufstieg erleichtern sollen, weil sie hier die Gelenke unterstützen.
Ich frage mich, ob das auch bei Knieschmerzen beim Abstieg hilfreich ist.
Liebe Grüße
Peter
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Hallo zusammen 🙂
Herzlichen Dank für die tollen TIPPS…
Inzwischen gibt es auch eine neue Erfindung. Eine Abstiegshilfe, die man sich unter die Wanderschuhe schnallen kann. Das Produkt heißt hive PIKLA Abstiegshilfe und ist wirklich unglaublich hilfreich 🙂
Liebe Grüße aus dem Allgäu,
Manuel
Hallo Manuel!
Danke für deinen Kommentar und den Tipp! PIKLA kannten wir bisher nicht. Wir schauen uns das auf jeden Fall mal genauer an! 🙂
LG Susi
Sehr schöne Fotos.
Machst du diese mit deinem Smartphone oder hast du eine bestimmte Kamera?
LG
Michael
Vielen Dank! Sowohl als auch. 🙂 Häufig fotografieren wir aber schon mit der Spiegelreflex (Canon sowie Nikon).
LG
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Prinzipiell sehr interessant der Beitrag, nur die Zeichnung mit dem Kraftvektor und dem Momentarm stimmt so meines erachtens nach so nicht: Der Kraftvektor zeigt vom Schwerpunkt lotrecht nach unten zum Boden, da ja grundsätzlich eine Gewichtskraft wirkt (abgesehen von der Beschleunigung die durch Körperkraft auftritt.
Das erklärt auch warum die Knie auslenken müssen: Wenn der Schwerpunkt vor die Knie wandern würde würden wir schlicht und einfach nach vorne umfallen. Das ausweichen der Knie kann jedoch diese Kräfte aufnehmen (zusätzlich zum zurückkippen des Oberkörpers, was ja auch passiert).
Daraus ergibt sich dann ein resultierender Kraftvektor, der bremsend wirkt.
Außer ich hab da was falsch verstanden
Hi Manuel!
Sorry für die späte Antwort, ich habe deinen Kommentar freigegeben und dann voll vergessen, zurückzuschreiben.
Der Kraftvektor zeigt nicht die Gewichtskraft, die in den Boden wirkt, sondern die resultierende Bodenreaktionskraft – also jene Kraft, die beim Fußaufsatz vom Boden entgegengesetzt wird. Das ist in der Biomechanik die Größe die wir messen, wenn wir beispielsweise mit Kraftmessplatten arbeiten, um die Nettokräfte in den Gelenken und die Strukturbelastungen zu berechnen. Ich hoffe, die Grafik ist jetzt klarer.
Alles Liebe!
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