Klettern Tourentipps

„Fiori di Primavera“ (6b): Plaisir-Klettern am Gardasee

Diese Route im Val di Ledro hoch über dem Gardasee ist an kühlen Tagen der perfekte Platz an der Sonne.

Tief unter uns schlängelt sich die alte Ponalestraße Richtung Gardasee. Das Wasser glänzt in einem matten Blau. Einige Hundert Höhenmeter darüber klettern wir auf ockerfarbenem Fels in der „Via Fiori di Primavera“ Zug um Zug durch eine steile Wand im Val di Ledro höher.

Das Klimpern der Expressschlingen klingt wie Musik in unseren Ohren. Die Sonne wärmt unsere vom Zustieg kalten Finger. Es ist Ende November, aber trotzdem kommen hier am Gardasee sofort Urlaubsgefühle auf.

Wir klettern heute im Gebiet Regina del Lago im Val di Ledro. Die Sektoren liegen etwas abseits von Arco, locken aber mit wunderbaren Tiefblicken auf den Gardasee und herrlichem Fels. Die Routen hier sind nie zu lang und lassen sich deshalb ideal miteinander verbinden. Die südseitige Ausrichtung macht die Mehrseiler bei Regina del Lago ideal fürs Klettern in den Wintermonaten.

Die „Fiori di Primavera“ wird im Kletterführer von Diego Filippi als eine der schönsten Routen im gesamten Sektor, ja sogar rund um Arco angepriesen. Wir haben dem Tipp des Lokalmatadors vertraut und sind schon nach der zweiten Seillänge überzeugt: diese Linie ist einzigartig!

„Via Fiori di Primavera“: Fakten zur Route

  • Schwierigkeit: 6b (zwei Passagen) sonst überwiegend 5c bis 6a
  • 6 Seillängen, 140 m
  • Art: Bestens abgesicherter Mehrseiler
  • Region: Val di Ledro/Gardaseeberge
  • Ausrüstung: 50m-Einfachseil, 12 Expressschlingen, Helm, keine mobilen Sicherungsgeräte nötig.
  • Zustieg: 20 Minuten
  • Fazit: Wunderschöne Route hoch über dem Gardasee mit einigen unvergesslichen Seillängen in bestem Fels. Enger Hakenabstand, kurze Seillängen, alle Stände gebohrt.
  • Eine Topo gibt’s hier!

„Fiori di Primavera“: Ausgangspunkt und Zustieg

Du kennst uns. Lange Zustiege machen uns nichts aus. Im Gegenteil. Aber wenn man fast ohne Zustieg am Fuße einer Traumlinie steht, dann haben wir natürlich auch nichts dagegen. Hier am Gardasee erreicht man den Einstieg zu unzähligen Routen in weniger als 30 Minuten. Die Energie kann man sich also super für ein paar knackige Kletterzüge aufsparen. Oder am Morgen einfach länger liegen bleiben.

Den Parkplatz am Sektor Regina del Lago erreicht man von Arco aus in einer guten Viertelstunde. Man folgt den Straßenschildern ins „Val di Ledro“, fährt durch einen langen Tunnel und parkt das Auto kurz nach dem Tunnel auf einem großen Parkplatz an der linken Straßenseite (Bushaltestelle).

Fiori di Primavera Klettern Gardasee
Grober Routenverlauf der „Fiori di Primavera“ im Val di Ledro oberhalb des Gardasees.

Zu Fuß wandern wir entlang der Straße zurück zum Tunnelportal und biegen dort rechts auf die alte Ponalestraße ab. Ein kleiner Tunnel markiert den Eingang zur Ponalestraße, die auch ein bekannter Radweg ist. Wir folgen dem Weg ein kurzes Stück und biegen nach einem Steinschlagnetz links auf einen Pfad in den Wald ab. Dem Steiglein folgen wir immer geradeaus unterhalb der Felsen entlang, bis wir eine überhängende Wandzone erreichen. An ihrem linken Rand zieht die Fiori di Primavera höher. Den Einstieg findet man links von einer Steinmauer und einer Felsniesche, in der eine kleine Madonna-Figur steht. Der Routenname ist angeschrieben.

Zeig mir den Platz an der Sonne

Im Sommer spenden die Bäume am Einstieg Schatten. Jetzt im Herbst wünschen wir uns nichts mehr, als über ihre Kronen hinauszuklettern. Die Finger sind kalt vom schattigen Zustieg. Ich warte auf den Moment, in dem Tom „Stand und nachkommen“ ruft. Schnell kommt das ersehnte Kommando.

Die erste Seillänge führt in 18 Metern über drei Felsstufen. Unser Führer gibt die Schwierigkeit 5b an – perfekt, um sich warmzuklettern und zügig vor dem Schatten zu flüchten. Schon auf den ersten Metern wird klar: diese Route ist perfekt abgesichert. Selbst im unteren Schwierigkeitsgrad kommt alle paar Meter ein Bolt daher.

Ich treffe Tom am ersten Standplatz wieder. Dieser liegt schon fein in der Sonne. Meine Finger sind im Nachstieg auch aufgetaut. Ich kann also ohne Zögern in die zweite Seillänge mit der ersten 6a-Passage starten. Vom Standplatz zieht ein breiter Riss über eine steile Wandstufe hinauf. Ein Spreizschritt nach links, einer nach rechts. So arbeite ich mich höher und erreiche mit den Händen einen Henkel nach dem anderen.

Ein großer Felsblock unterbricht meinen Kletter-Flow. Seine Verbindung zum Riss sieht instabil aus und als ich mit den Fingerknöcheln dagegenklopfe, hallt mir ein dumpfer Laut entgegen. Nicht gut. Ich umklettere den Block rechts, vermeide den Kontakt mit ihm so gut es geht und kann mich kurz darauf auf einem Podest ausruhen.

Mein Blick schweift nach rechts zum Gardasee. Die Sonne strahlt mir ins Gesicht; das Blau des Sees entgegen. Meraviglioso! Nach dem Podest halte ich mich links. Einige Klettermeter im 5. Schwierigkeitsgrad vollenden diese zweite Seillänge.

Quergang & Traumrampe: Die Herzstücke der „Fiori di Primavera“

Ich habe meinen Platz an der Sonne vor einer kleinen Grotte eingenommen. Das Seil gleitet kontinuierlich durch mein Sicherungsgerät, bis Tom bei mir am Standplatz steht. Er darf nun das nächste Schmankerl der „Fiori di Primavera“ vorsteigen: einen kurzen Quergang (6a), der dann in steile Wandkletterei übergeht.

An hervorragenden Henkeln können wir uns im Quergang nach rechts hinüberhangeln. Die Füße bleiben tief und suchen an der glatten Wand nach kleinen Tritten. Im Hintergrund spannt sich das Postkarten-Panorama des Gardasees mit der Ponalestraße auf. Am Ende der dritten Seillänge finden wir uns erneut vor einer kleinen Höhle ein. Und staunen nicht schlecht, als wir die Rampe erblicken, über die die vierte Seillänge emporzieht.

Die Rampe beginnt mäßig steil und stellt sich zum Ende hin immer stärker auf. Nicht nur ihr Verlauf, auch das Gestein der Rampe zieht uns in seinen Bann. Aschgraue Streifen durchziehen die ockerfarbene Wand. Die braunen Strukturen entpuppen sich als kleine Sinter, die die seichte Verschneidung wie Miniatur-Tropfsteine überziehen.

Ich darf diese außergewöhnliche Seillänge vorsteigen. Meine Füße tänzeln über dem Abgrund, die Finger tasten sich von einem kleinen Griff zum nächsten. Die Kletterei ist für den unteren 7. Schwierigkeitsgrad ziemlich athletisch und ich komme erstmals ins Schwitzen. Auch, weil die Wand rechts von mir extrem steil abfällt.

Fiori di Primavera Klettern Gardasee
Tom im Nachstieg der Schlüsselseillänge.

Nach 16 Metern ist der Spaß auch schon wieder vorbei und ich stehe am nächsten Stand. Tom genießt die Rampe im Nachstieg sichtlich auch und bereitet sich am Standplatz gleich für seine nächste Aufgabe vor.

Ein weiterer Quergang und eine Platte zum Ausklang

Eine knifflige Stelle steht uns am Ende der „Fiori di Primavera“ noch bevor: Ein kurzer Quergang in der 5. Seillänge, der dann leicht überhängend (6b) in eine steile Platte übergeht. Tom beweist im Vorstieg Mut und Kraft und ich überlege mir am Standplatz, wie ich die Passage im Nachstieg am besten meistern werde. Quergänge sind beim Klettern nicht meine liebste Aufgabe. Tom aber steigt beherzt über die zweite Schlüsselstelle hinweg und holt mich kurz darauf nach.

Fiori di Primavera Klettern Gardasee
Die zweite Schlüsselstelle: Quergang in der 5. Seillänge.

An großen Griffen, ja an richtigen Traumhenkeln taste ich mich nach rechts vor. Die Tritte unter mir werden immer weniger, bis ich mit beiden Händen auf einem Aufleger ankomme und mich trittlos um einen Bauch schieben muss. Meine Füße verlieren den Kontakt zum Fels und ich pendle nach rechts hinüber. Mit den Zehenspitzen versuche ich den Pendler abzubremsen und meinen Körper wieder zu stabilisieren. Geschafft. Welch ein genialer, dynamischer Zug!

Der Rest der Tour verfliegt fast zu schnell. Ich steige die Platte (5a) der letzten Seillänge vor. Hier stellen sich keine Schwierigkeiten mehr in den Weg. Die Spannung fällt langsam ab und wir machen sofort Pläne, was wir heute noch anstellen könnten.

Fiori di Primavera Klettern Gardasee
Platten zum Ausklang in der 5. und 6. Seillänge.

„Regina del Lago“: Weiter nach oben

Nach der „Fiori di Primavera“ bietet es sich an, gleich an einem der oberen Sektoren weiterzuklettern. Nur fünf Gehminuten vom Ausstieg entfernt, gelangt man zu einem kleinen Sektor mit Sportkletterrouten und weiteren Mehrseilern. Wir steigen dort direkt in die „Regina del Lago“ (4 SL, 6a) ein. Eine weitere, bestens abgesicherte Genussroute mit Blick auf den Gardasee.

Die „Regina del Lago“ ist mit Sicherheit eine der schönsten Routen des oberen Sektors. Die beiden ersten Seillängen folgen einer herrlichen Verschneidung. Beste Felsqualität und nahe Hakenabstände machen sie zu einer nicht allzu schweren Plaisir-Route hier am Gardasee.

Fiori di Primavera Klettern Gardasee Regina del Lago
Nach der Tour ist vor der Tour. Quergang mit guten Aussichten in der „Regina del Lago“.

Beim Quergang in der 3. Seillänge genießt man einen eindrucksvollen Blick über den Gardasee und fühlt sich tatsächlich wie die Königin des Sees.

Klettern am Gardasee: Was wir sonst noch gemacht haben

  • Caino e Abele (6a, 5 SL, Val di Ledro): abwechslungsreiche Genusstour im unteren Sektor über Verschneidungen und Platten. Enge Hakenabstände, fester Fels, aber teilweise schon leichte Begehungsspuren.
  • Super Ciccio (5c, 5 SL, Val di Ledro): gute Alternative, falls in der Caino e Abele zu viel los ist. Ebenfalls bestens abgesichert, führt sie meist über Platten und eine raue Verschneidung in der 3. Seillänge. Leider ist die Route nicht ganz so homogen wie etwa die „Fiori di Primavera“.
  • Regina del Lago (6a, 4 SL, Val di Ledro): Herrliche Genusstour hoch über dem Gardasee, die durch eine schöne Verschneidung zieht. Leider viel zu kurz, darum unbedingt mit einer weiteren Tour verbinden!
  • Via Crucis (6b, 6 SL, Croce di Ceniga): Wunderschöne Linie mit einer herrlichen dritten Seillänge entlang eines Risses mit grandiosen Henkeln und einem kleinen Überhang. Sehr gut mit Bohr- und Normalhaken abgesichert. Die Route endet fast direkt am Kreuz von Ceniga. Ein kleiner Gipfelerfolg ist bei dieser Tour also inklusive!
  • Fantatitoli (6a, 6 SL, Placche Zebrate bei Dro): Bestens abgesicherte Sportklettertour über teilweise sehr kleingriffige, glatte Platten. Loses Gestein wird in der Tour beim Abseilen oder wenn mehrere Seilschaften unterwegs sind, zum echten Störenfried. Besser nur einsteigen, wenn man alleine ist!

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