Bergtouren Tourentipps

Kjeragbolten: Tiefblicke und Zeltnächte in Norwegen

Einst vom Gletscher hinterlassen, ist der Kjeragbolten heute eines der attraktivsten Wanderziele Norwegens. Schon der Weg zum eingezwängten Brocken bietet atemberaubende Tiefblicke auf den Lysefjord.

Eintausend Meter hohe Felswände, die tief unten in den Fjord eintauchen, der gegen den Himmel um das kräftigere Blau kämpft. Wasserfälle stürzen plötzlich im freien Fall über die scharfen Kanten der Bergkette. Ihr Wasser segelt senkrecht hinunter zum Fjord und schäumt die Wasseroberfläche weiß auf. All diese Eindrücke warten während einer Wanderung auf den Kjeragbolten, der direkt am Lysefjord in Südnorwegen eine der größten Touristenattraktionen Skandinaviens ist.

Kjeragbolten
Der Kjeragbolten – dieser eingekeilte Felsblock lockt jährlich Tausende Norwegentouristen an. Zurecht!

Auf dem eingekeilten „Kjeragbolzen“ am Abgrund über dem Fjord zu stehen gilt als besonderer Nervenkitzel dieser Tour. Besonders nervenaufreibend sind leider die Menschenmassen, die sich bei schönem Wetter die Anhöhe zum Kjeragmassiv hochquälen.

Glücklicherweise haben die Berghasen eine Ausweichstrategie parat. Wir starten unsere Tour, wenn die meisten schon wieder am Rückweg sind und übernachten gleich noch an einem idyllischen Bergsee im Hinterland des Kjerag. Über eine schöne Runde gelangen wir am nächsten Tag zum Ausgangspunkt zurück.

Was du für die zweitägige Tour zum Kjerabolten benötigst:

  • festes Schuhwerk und warme Kleidung
  • Zelt
  • Schlafsack
  • Isomatte
  • Verpflegung für einen Tag und eine Nacht
  • eine Kamera für die unglaublich geilen Fotos, die du schießen wirst

Im Hochsommer steht die Sonne lange über Fjordnorwegen. Wirklich dunkel wird es hier im Süden erst gegen 11 Uhr Abends. Perfekte Bedingungen für eine Abendwanderung. Für die Tour zum Kjeragbolten reicht es, um 18 Uhr vom Ausgangspunkt Øygardstølen aufzubrechen.

Der Parkplatz dort ist meist grenzenlos überfüllt und für mitteleuropäische Verhältnisse ziemlich überteuert. Wir empfehlen, etwas weiter oberhalb des eigentlichen Startplatzes zu parken. Zwar muss man dann einige Meter absteigen, dafür erreicht man das Auto am nächsten Tag schneller – wir nehmen nämlich einen schönen Rundweg in Angriff (GPS unten).

Von Øygardstølen zum Kjeragbolten

Drei steile Anstiege sind hinauf zum Wanderziel zu erklimmen. Zwischen den Anstiegen geht es immer wieder leicht bergab. Wir müssen kleine Wasserläufe überwinden und uns an der Gegenseite wieder hocharbeiten. Der Weg führt über griffigen Granit, teilweise mit guten Tritten versehen, teilweise vom Gletscher blank geschliffen. Schon nach wenigen Höhenmetern eröffnet sich der erste Tiefblick hinunter nach Lysebotn, eine kleine Ortschaft, die am Ende des Fjords liegt.

Kjeragbolten Wanderung
Beeindruckende Tiefblicke auf den Lysefjord begleiten die Wanderung zum Kjeragbolten.

Einen Großteil der Höhenmeter legt man auf den ersten drei Kilometern der Wanderung zurück. Gewaltige Ausblicke hinunter zum Lysefjord begleiten den Weg. Danach gelangt man auf ein weitläufiges Plateau, das von riesigen Felsplatten und kleineren Seen und Tümpeln überzogen ist.

Mehrere Kilometer wandert man so über blank geschliffenes Granitgestein und weicht kleineren und größeren Felsblöcken aus, die das Plateau übersäen.

Kjeragbolten Wanderung
Am blank geschliffenen Granit machen wir schnell Meter.

Zwischenstopp Nasatinden

Ein großer Steinmann mit Wegweiser markiert inmitten des Plateaus die Richtung zu den Aussichtspunkten. Geradeaus gelangt man zum Kjeragbolten, rechts zum Nasatinden. Den kurzen Abstecher sollte man keinesfalls verschmähen. Wartet dort doch der eindrucksvollere Blick über den Lysefjord als am Kjerag.

Wer sich ganz an den Rand des Felsabbruchs heranwagt, hat eintausend Meter Luft unter den Füßen. Langsam tastet man sich an den Abgrund heran. Zu groß ist der Respekt vor der ungewohnten Höhe. Man lugt mit einem Auge hinab, erblickt das Grün der Wiesen und das Schmelzwasser, das in kleinen Bächen in den Fjord strömt. Die Mutigen setzen sich an die Felskante und lassen die Beine locker über Grund baumeln.

Die gewaltigen Felswände sind derart überdimensioniert, dass sogar Basejumper und Highliner sie für ihre Adrenalinkicks nützen. Zur linken Seite schießt ein Wasserfall über die dunklen Felsflanken in die Tiefe. Richtet man seinen Blick entlang des Fjords aus, überblickt man dessen 40 Kilometer lange Schneise, die der Gletscher in der letzten Eiszeit in den Fels gefressen hat.

Von diesem Ort kann man sich nur mit dem Gedanken losreißen, dass das Beste ja noch vor einem liegt.

Kjeragbolten – kleiner Felsblock ganz groß

Der eingekeilte Granitfels befindet sich nur wenige hundert Meter weiter. Die Wanderzeit bis hierher beträgt etwa zwei Stunden. Durch eine kleine Schlucht, die das Schmelzwasser in den Fels gegraben hat, wandert man wieder in Richtung Fjord. An deren Ende sitzt der Kjeragbolten eingekeilt zwischen zwei Felswänden. Er liegt spektakulär über dem sehr tiefen Abgrund.

Klar, es ist bloß ein Felsbrocken. Aber sein Anblick hat einfach etwas Außergewöhnliches. Es ist schwer zu beschreiben. Etwas Derartiges gibt es wohl nur einmal auf der Welt. Und darum muss man natürlich auch draufklettern und sich in einem Foto verewigen.

Kjeragbolten Wanderung
Am Kjeragbolten stehen. Hat schon was!

Amüsant ist es, die Leute beim Hinüberklettern auf den Block zu beobachten. Aus Angst würden es die meisten wohl lieber bleiben lassen, der Zwang zu einem spektakulären Bild ist aber größer und so krabbeln viele auf allen Vieren auf den Felsen, stehen mit zittrigen Knien auf und werfen sich in Pose.

Kurz vor Sonnenuntergang ist es Zeit, aufzubrechen, will man noch einen guten Zeltplatz für die Nacht ausfindig machen.

Zelten im Storedalen

Entlang der Schmelzwasserrinne wandert man weiter hoch und überschreitet das Kjeragmassiv. Der Weg ist gut mit roten Ts markiert. Über blanken, teilweise sehr steilen, Fels gelangt man ins Storedalen. Ein Flüsschen durchzieht das Tal und lässt es grün erblühen. Auf den Weiden grasen Schafe im Abendlicht. Folgt man dem Bachlauf nach oben, erreicht man bald einen kleinen See, an dessen Ufer man zwei schöne Zeltplätze vorfindet.

Am besten schlägt man hier das Nachtlager auf und genießt die letzten Sonnenstrahlen, die das Kjeragmassiv streifen. Wenn der Wind nicht zu stark weht kann man neben klingelnden Schafsglocken eindösen.

Zum Langavatnet und zurück

Neuer Tag, neue Etappe. Über den See „Langavatnet“ geht es zurück zum Ausgangspunkt. Dazu lässt man zunächst den See, an dem man übernachtet hat, hinter sich und folgt dem Tal weiter hinauf. Auf einem kleinen Sattel zweigt dann bald der Steig zum Langavatnet nach links ab. Höhenmeter macht man hier nur wenige. Dafür sammelt man auf einem weitläufigen Plateau ordentlich Kilometer. Ohne Anhaltspunkt zieht sich der Weg ziemlich in die Länge. Der See will bis zum Schluss nicht ins Blickfeld rücken. Bleibt mehr Zeit, die einmalige Umgebung zu genießen. Die Füße stapfen über glatt geschliffenen Fels und umrunden kleine Bergseen, an deren Ufer Gras sprießt.

Und plötzlich leuchtet die Selbstversorgerhütte Langavatnet im typisch norwegischen Rotton aus den grünen Wiesen hervor. Die Hütte liegt direkt am Ufer des großen Sees. Kurz vor dem Häuschen biegt man nach links ab und folgt dem Wegweiser nach Lysebotn.

Wunderschön verläuft der Steig entlang des Seeufers. Teilweise müssen einige Passagen überklettert werden, häufiger trottet man aber gemächlichen Schrittes auf moorigem Boden dahin, bis man eine Schotterstraße erreicht. Dieser folgt man zurück bis nach Øygardstølen.

Tourdaten Kjeragbolten Rundtour

  • Ausgangspunkt: Øygardstølen am Lysefjord, oberhalb von Lysebotn.
  • Höhenmeter: etwas mehr als 700
  • Kilometer: 9 am ersten und 10 am zweiten Tag
  • Dauer: etwa 7 Stunden (auch an einem Tag möglich)

15 Kommentare zu “Kjeragbolten: Tiefblicke und Zeltnächte in Norwegen

  1. Anja Buchbinder

    Hi! Inzwischen leider schon 300 NOK für den offiziellen Parkplatz… Sind heute mit Hunden und 3 jähriger Tochter auf dem Rücken hoch. Aber ganz sicher eine der coolsten Erfahrungen die wir je gemacht haben

    • Hallo Anja! Vielen lieben Dank für dein Update! 300 NOK – okay da lassen sie sich nicht lumpen. 😀 Letztes Jahr waren es noch 200 schreibt ein Leser von uns.

      Liebe Grüße,

      Susi

  2. Christoph

    Hi Susi,
    vielen Dank für Deinen tollen Bericht. Wir waren heute am Kjerag und wollten eigentlich Eure Tour machen. Leider ist aber der von Dir beschriebene Parkplatz oberhalb des Øygardstølen inzwischen mit Halteverbotsschildern versehen und mit einem dicken Seil abgesperrt!

    Daher haben wir uns dann doch für die Tagestour entschieden, zumal es auch ziemlich windig war. Trotz Feriensaison war weder der offizielle Parkplatz überfüllt (auf der anderen Seite der Straße wird übrigens gerade ein weiterer Parkplatz inkl. Heli Landeplatz fertiggestellt) noch war die Wanderung selbst überlaufen… Da hatten wir bei Hüttentouren in den Alpen schon mehr „Verkehr“.

    Die inzwischen 200 NOK für 10 Std. Parken relativieren sich für Camper Fahrer insofern, als dass man dort offiziell seinen Müll loswerden darf, Wasser auffüllen und Spülen kann und kostenlose Toiletten bereitstehen. Laut Schild am Parkplatz werden die Parkgebühren vor Ort für Instandhaltung der Wege verwendet.

    Da wir nachts um 0:30 Uhr am Kjerag ankamen, man auf dem Parkplatz aber nicht übernachten darf, haben wir ca. 2 km weiter oben auf einem kleinen Schotterplatz geschlafen. Hier noch der Hinweis, dass man hier auch bei gutem Wetter nach 22 Uhr gerne mal in eine Wolke mit unter 10 m Sichtweite fährt und dann macht die Fhrt auf der schmalen Passstraße keinen Spaß mehr.

    Die Tour ist übrigens auch gut mit halbwegs bergerfahrenem Hund und Kindern ab ca. 8 Jahren machbar – solange es trocken ist. Da man sich auf ca. 90 % der Tour auf natürlichen Granitplatten bewegt, ist das Ganze bei Nässe bestimmt eine rutschige Angelegenheit.

    Liebe Grüße aus Norwegen
    Christoph

    • Hi Christoph!

      Vielen Dank für deine aktuellen Einschätzungen. Das dürfte für viele unserer Leser nützlich sein.

      Liebe Grüße!

  3. Wir hatten ursprünglich vor eine Tagestour zum Kjeragbolten zu machen. Jetzt wo ich das gelesen habe, möchten wir ebenfalls an dem See Zelten. Ist der Weg zum Storedalen beschildert? Oder habt ihr eine Empfehlung für eine Wanderkarte?

    • Hallo Bastian! Es ist auf jeden Fall eine super Idee, das Zelt einzupacken. Norwegen-Feeling pur! Die Route, wie wir sie gegangen sind, ist ausgeschildert. Ihr müsst euch nur immer Richtung Langavatnet halten.

      Viel Spaß!

  4. Christina

    Wahnsinns Fotos! Ich werde diesen Sommer meine erste Norwegen – Trekking- Reise machen! Hast du ein Mietauto gehabt? Oder wie bist du immer zu den Ausgangspunkten der Tagestouren gekommen? Würde mich über eine Antwort sehr freuen!

    • Hallo Christina,

      ich danke dir! Wir haben uns in Deutschland einen Campingbus gemietet und sind so durchs Land gedüst. Die beste Lösung, wie ich finde.

      Ich wünsche dir ganz viel Spaß auf deiner Reise. Falls du weitere Fragen hast – nur her damit!

      Grüße,

      Susi

  5. Die Bilder sehen einfach nur super aus. Werde ich definitiv auch auf meine To-Do Liste setzen. Diese ist leider noch sehr lang.

  6. Hallo! Ja Norwegen ist eine (viele) Reisen wert. War erst im letzten Jahr am Kjeragbolten. Weiteres gutes Ziel Trolltunga, oder auch der Klettersteig in Loen.

    Lieben Gruß
    Jürgen

    • Hallo Jürgen!

      Ich war auch nicht zum ersten Mal dort – und sicher auch nicht zum letzten Mal. Zur Trolltunga bin ich auch gewandert (der Artikel ist schon online). Der kommende Norwegen-Urlaub wird wohl im Winter sein! 😉

      Liebe Grüße,
      Susi

  7. Pingback: Auf der Zunge des Trolls |

  8. Vielen Dank für die tolle und ausführliche Beschreibung eurer Tur! Wir waren uns nie sicher ob wir da auch hoch sollen oder nicht. Nächste Jahr dann.
    Danke auch für die tollen Bilder!

    • Hallo! Sehr gerne doch. Wir wissen wie schwierig es ist, gute Informationen zu finden, vor allem, wenn man in einem Land mit anderer Sprache unterwegs ist. Es ist halt ein sehr touristischer Ort, aber es zahlt sich auf jeden Fall aus, wenn man’s geschickt anstell!

      Liebe Grüße und vielen Dank!

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